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Unimog im Einsatz an der Brienz Rothorn Bahn.

Mit Bärenkräften und Top-Technik: Unimog U 430 im Winterdienst.

Ein brandneuer Unimog sorgt im Berner Oberland dafür, dass eine der ältesten Zahnradbahnen der Schweiz in die Saison starten kann.

Meter für Meter arbeitet sich der Unimog U 430 voran, 220 kW pure Kraft! Die Schneefräse an der Front rotiert bis zur Oberkante im glänzenden Weiß. Durch den Auswurfkamin fliegt der Schnee in hohem Bogen in die Luft und prasselt ein paar Meter weiter unten auf den Steilhang. Ganz unten funkelt der Brienzer See in der Morgensonne, jenseits des Tals thronen die Berner Alpen mit Eiger, Mönch und Jungfrau. Ein Spektakel, für das Franz Zobrist keine Augen hat. Er hat einen Auftrag: das auch Ende Mai noch tief verschneite „Trassee“ der Brienz Rothorn Bahn unterhalb der Bergstation freilegen.

„Nach einem normalen Winter liegen hier vier bis sechs Meter. Es können aber auch zehn sein“, sagt Daniel Schlosser, Technischer Direktor der Bahn, einer der ältesten Zahnradbahnen der Schweiz, in Betrieb seit 1892. Auf der 7,6 Kilometer langen Strecke fahren noch immer überwiegend Dampfloks. Aktuell geht es bis zur Mittelstation, wo längst die Enziane blühen. Aber die meisten Gäste wollen ganz nach oben auf 2.244 Meter. Den Schnee tauen zu lassen würde Wochen dauern. Doch Anfang Juni muss die Saison richtig losgehen, sie reicht ohnehin nur bis Ende Oktober.

Am besten klappt's im Team.

Deshalb ist immer ab Mitte Mai „Schneebruch“ angesagt. „Das übernimmt meist ein Fünferteam“, so Daniel Schlosser: Zwei Mitarbeiter der Bahn tragen mit Handfräsen die Schneespitzen ab. Per Pistenbully schafft Kollege drei eine grobe Gasse. Kollege vier schippt Steine zur Seite. Kollege fünf schließlich, Franz Zobrist, räumt mit dem Unimog die Masse an Schnee und leitet die Räum-Equipe an.

Dieses Jahr ging es oberhalb der Mittelstation mit einzelnen Schneefeldern los. Alle kennen das Terrain aus dem Effeff, vor allem die schneekritischste Zone auf rund 2.000 Meter Höhe: ein Trichter, an dessen Hängen das Gleis eine Hunderte Meter lange, steil ansteigende Kurve beschreibt.

220 kW pure Kraft treiben den Unimog an.
Durch den Auswurfkamin fliegt der Schnee in hohem Bogen neben die Fahrbahn.
Viele Funktionen des Unimog werden per Joystick gesteuert.
Kraftvoll pflügt sich die Schneefräse durch die Schneemassen.
Gut, wenn man im steilen Gelände an Schneeketten gedacht hat.
220 kW pure Kraft treiben den Unimog an.
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Diesen Job schafft nur der Unimog.

Franz Zobrist macht am Brienzer Rothorn keiner etwas vor. Seit 1984 sorgt er für den Schneebruch. Seit jeher als Selbstständiger – und mit dem Unimog. „Diese harte Arbeit würde man wohl mit keinem anderen Fahrzeug schaffen.“ Bis 2015 nutzte der 60-Jährige seinen eigenen U 406. Jetzt arbeitet er mit einem Fahrzeug, das die Bahn-Betreiber angeschafft haben, beraten von Zobrist: ein U 430 Geräteträger. Euro VI-Motor mit 7,7 Liter Hubraum, 1200 Nm Drehmoment, Hinterachs-Zusatzlenkung (HZL), hydrostatischem Fahrantrieb und Schneefräse von Kahlbacher – eine Top-Ausstattung.

„Dank HZL zum Beispiel kann er den sogenannten Hundegang“, so Zobrist. „Der hilft durch leicht eingeschlagene Räder an beiden Achsen, wieder rückwärts rauszukommen, wenn ich mich richtig in den Schnee reingearbeitet habe. Der Unimog war schon immer spitze, aber die neue Technik macht nochmal einen gewaltigen Unterschied!“ Spricht’s und klettert wieder ins Fahrerhaus. Was den Job so hartmacht, ist neben der Steigung und der Menge des Schnees auch dessen Beschaffenheit. „Er liegt teils seit November und ist unglaublich hart. Weich soll er aber auch nicht sein, sonst wird die Oberfläche zu rutschig“, sagt Zobrist.

Schwankungen im jährlichen Schneeaufkommen.

Immer muss das Team auf der Hut sein vor Lawinen und Steinschlag. Auch Zobrists Vater hatte die Wachsamkeit im Blut – bis ihn nach 20 Jahren Arbeit hier am Berg ein Schneebrett erschlug. Vielen Alpen-Touristikern bereitet der Klimawandel Sorgen, auf den Schnee am Brienzer Rothorn hat er kaum Einfluss. „Wir haben an den exponierten Stellen stabile Mengen, Schwankungen von Jahr zu Jahr gab es schon immer“, so Schlosser. Besonders heftig war es 2012. Damals errechnete der Technikchef, dass für einen Abtransport mehr als 1.500 Güterwagen nötig gewesen wären.

Seit 1892 unter Dampf

Von der Talstation am Brienzer See fährt die Bahn bis auf 2.244 Meter am Brienzer Rothorn hinauf und bewältigt dabei 1.678 Höhenmeter. Die Steigung: im Schnitt 22,5 Prozent. Den Vortrieb erledigen zwei vertikal angebrachte Zahnräder. Im Einsatz sind vor allem Dampfloks, drei davon seit 1892. Viele Bahnen in der Schweiz wurden bis heute elektrifiziert. Die Brienz Rothorn Bahn dagegen fährt weiter mit Dampf – gerade das lockt viele der zuletzt mehr als 140.000 Gäste pro Jahr an.

Dieses Jahr hat es das Team mit weniger Schnee zu tun. Dafür muss es schneller fertig werden. „Wir haben vorigen Herbst ab der Mittelstation ein langes Stück Gleis neu verlegt und sind bis zum Wintereinbruch nicht fertig geworden“, erklärt Schlosser. „Deshalb mussten wir das jetzt vollenden.“ Erst danach konnten die Schneebrecher starten: Kein komplettes Gleis bedeutet keinen Transport des Unimog und des Bully hinauf zum Schnee.

Franz Zobrist ist überzeugt: Die Brienz Rothorn Bahn wird auch dieses Jahr pünktlich loslegen. Er deutet mit dem Finger bergan. Ein paar Hundert Meter vor dem Unimog verschwindet das Trassee in einer Galerie und dann in einem Tunnel, der durch einen Grat führt. „Dahinter kommen ein kurzes Stück und noch mal ein Tunnel, dann haben wir’s geschafft.“ Und was kommt nach dem Schnee? Wieder Arbeit hier am Berg! Beton zum Ausbessern der Bauernhäuser transportieren oder Holz – mit dem Unimog.

Quelle: Transport Magazin 4/2016
Text: Florian Oertel
Fotos: Henrik Morlock

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